Die Gleichberechtigungsfrage im Zürcher Strassenverkehr

Ortspartei Kreis 9

Die Stadt Zürich schafft seit Jahren Anreize für den öffentlichen Verkehr und Verkehrsmittel mit erneuerbarer Energie. In einer vielbefahrenen Stadt mit stetig steigender Autozahl ist das durchaus legitim. Doch wo hört sinnvolle Förderung auf, und wo beginnt die Verdrängung? Gleichberechtigung ist nämlich auch im Verkehr ein Thema, erklärt uns Moritz Falck, Vizepräsident der FDP-Ortspartei im Stadtzürcher Kreis 9.

In Zürich wird viel gefahren. Auf engem Raum treffen verschiedenste Verkehrsmittel aufeinander, vom Velo über das Tram und den Bus bis hin zum LKW. Dies täglich und fast zu jeder Stunde. Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, Anreize für den öffentlichen Verkehr oder alternative Beförderungsmittel zu schaffen. Schadstoffemissionen und Lärm lassen sich reduzieren, was allen Stadtbewohnern zu Gute kommt. Ferner ist die langfristige Förderung von Verkehrsmitteln mit erneuerbarer Energie richtig und wichtig. Die Gretchenfrage stellt sich in der Art und Weise, wie diese Anreize gesetzt werden. Hier lassen Stadtregierung und Parlament zuweilen den nüchternen Blick auf die Sachlage vermissen.

Warum braucht man überhaupt ein Auto in der Stadt? Nun, weil es viele Mitbürgerinnen und Mitbürger gibt, die privat oder geschäftlich auf ein Auto angewiesen sind. Sei dies das Pendeln aus ausserstädtischen Quartieren, Zügeln, Liefertransporte, Aussendienst, Spitaltermine, Behindertentransport, Taxifahrten oder Grosseinkäufe – um nur einige Beispiele zu nennen. Das Bedürfnis nach privatem Autoverkehr ist nicht bloss eine Frage der Bequemlichkeit, wie das manchmal behauptet wird. Es hängt nämlich meist mit einer konkreten Problemstellung zusammen. Oder haben sie schon mal die neue Bettwarengarnitur samt Matratze im Tram transportiert?

Die Herausforderung besteht darin, die gerechtfertigten Ansprüche der Autofahrer mit denen der nicht-Autofahrer und Anwohner in Einklang zu bringen. Das sich hierbei ein Zielkonflikt auftut, ist offenkundig. Entscheidend ist die faire Abwägung der verschiedenen Ansprüche. Eine einseitige Bevorzugung eines Verkehrsträgers ist nicht statthaft. In dieser Hinsicht sind gewisse Strassenverkehrsmassnahmen mit Skepsis zu betrachten.

Die Tempo-30-Zonen sind ein Beispiel hierfür. Diese werden zunehmend auch an Orten durchgesetzt, die für die Strassensicherheit unwesentlich sind. Es ist nichts dagegen einzuwenden, in Nebenstrassen von Wohnquartieren oder in der Nähe von Schulen Tempo-30-Zonen anzulegen. Das liegt im Interesse der Sicherheit und des Lärmschutzes. Wenn allerdings wichtige Achsen künstlich verlangsamt werden, dann führt dies einfach zu mehr Stau. Es kommt eben nicht zu einer Umlagerung des privaten Autoverkehrs, da die Mobilitätsbedürfnisse der Autofahrer meist überwiegen (analog der obigen Beispiele). Mit mehr Stau ist letztlich niemandem geholfen. Die Autofahrer ärgern sich, Lieferungen kommen später an, Dienstleistungen verzögern sich und die Anwohner sind länger den Emissionen ausgesetzt. Nicht zuletzt stellt Stau ein erhebliches Problem dar für Blaulichtorganisationen, wie etwa Polizei, Rettungsdienst oder Feuerwehr, die auf ein schnelles Vorankommen im Notfall angewiesen sind. Deswegen ist entlang wichtiger Achsen ein hinreichender Verkehrsfluss sicherzustellen. Die Fahrzeugzirkulation bestimmt nämlich die durchschnittliche Verweildauer der Autos auf der Strasse. Diese Zirkulation gilt es zu optimieren. Hier darf aus meiner Sicht auch punktuell Tempo 60 thematisiert werden.

Besonders bedenklich sind politische Manöver, die sich gegen den Privatverkehr richten. Es hinterlässt beispielsweise einen schalen Nachgeschmack, wenn unter dem Vorwand des Lärmschutzes Geschwindigkeitsbeschränkungen durchgeboxt werden. Selbstverständlich ist Lärmschutz wichtig für die Lebensqualität in unserer Stadt. Wenn allerdings unrealistisch gemessene Lärmschutzwerte herangezogen werden, um die zulässige Geschwindigkeit zu drosseln, so wirkt das ideologisierend. Die Lärmschutzwerte werden hiesig nämlich bei offenem Fenster gemessen. Damit ist sinngemäss die Mehrheit von Zürich ‘akut’ lärmgefährdet. Das betonen auch die Berichte der Stadtverwaltung. Nach dieser schleierhaften Logik müsste aber fast in der ganzen Stadt ein Tempolimit von 30 oder weniger gelten. Das ist unseriös und etwas weltfremd. Es liegt in der Natur der Sache, dass Städte Lärm produzieren, egal ob in Zürich, Berlin, New York oder Kuala Lumpur. Aus diesem Grund werden auch entsprechende bauliche Massnahmen ergriffen, etwa lärmdämmende Aussenwände oder doppelt-verglaste Fenster. Dem sollte man bei Lärmbemessung Rechnung tragen. Ich spreche mich damit nicht per se gegen Lärmschutzmassnahmen aus. An sehr belasteten Strassen ist das sicherlich überlegenswert. Man sollte aber davon Abstand nehmen, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Bei offenem Fenster gemessen, überschreitet sowohl der Verkehr auf der Hardbrücke als auch der auf der Scheuchzerstrasse die Dezibelobergrenze. Gleichwohl besteht noch ein riesiger Unterschied in der Frequentierung dieser beiden Strassenwege.

Mobilität ist ein Schlüsselbedürfnis in jeder Stadt. Dass wir als Gesellschaft verantwortlich sind, hierfür langfristige Lösungen zu entwickeln und umzusetzen, liegt auf der Hand. Das schliesst selbstredend die Förderung von nachhaltigen und schadstoffarmen Verkehrsmitteln ein. Man darf allerdings andere Verkehrsmittel deswegen nicht diskriminieren. Der private Autoverkehr hängt mit konkreten Mobilitätsbedürfnissen der Bewohner zusammen, die (noch) nicht durch alternative Beförderungsmittel gedeckt werden können. Dem demokratischen Prinzip verpflichtet, sollten wir also Verkehrslösungen entwickeln, die ein tragbares Resultat für alle beteiligten Parteien erwirken.